Werben um den Bruderstaat

Vedran Džihić
Senior Researcher

Wiener Zeitung
17. Jänner 2019

Werben um den Bruderstaat
von Gerhard Lechner

Belgrad/Moskau. In der Ukraine, in Polen oder dem Baltikum gehört Wladimir Putin nicht gerade zu den beliebtesten Politikern. Doch auf Serbien ist aus Sicht des russischen Präsidenten Verlass: Nirgendwo in Europa ist Russland so beliebt wie im orthodoxen Bruderstaat auf dem Balkan. Die Putin-T-Shirts, die in Belgrad angeboten werden, finden reißenden Absatz. Der im Westen ungeliebte Kreml-Chef wird als Beschützer Serbiens wahrgenommen. Im ukrainischen Kirchenkonflikt hat sich die serbische Kirche eindeutig auf die Seite Moskaus geschlagen. Und in Südserbien hat 2017 sogar ein Dorf seinen Namen von Adzinci in Putinovo geändert.

Am Donnerstag wird diese spezielle Beziehung Serbiens zu Russland wieder zelebriert werden – dann, wenn Putin in Belgrad zum bereits 14. Mal mit seinem serbischen Amtskollegen Aleksandar Vucic zusammentrifft. Vordergründig geht es um die Wirtschaft: Rund 20 Abkommen sollen zwischen den beiden Staaten sowie zwischen serbischen und russischen Firmen unterzeichnet werden – etwa ein Verkehrsabkommen im Wert von 230 Millionen Euro zur Modernisierung von Eisenbahnstrecken. Ein Hauptthema der Gespräche soll außerdem die Kosovo-Frage sein, in der Moskau Belgrad unterstützt. Der 2011 von der EU initiierte Normalisierungsdialog zwischen Belgrad und Pristina liegt seit Monaten auf Eis.

Der Putin-Besuch hat aber noch eine weitere Dimension: eine geopolitische. Denn obwohl ein Nato-Beitritt Serbiens heute kaum vorstellbar scheint, fürchtet Moskau langfristig ein solches Szenario. "In heurigen Jahr ist der Nato-Beitritt Mazedoniens geplant. Russland will weitere Erweiterungsschritte des westlichen Bündnisses mit allen Mitteln stoppen", sagt Balkan-Experte Vedran Dzihic der "Wiener Zeitung". Putin lobte vor seiner Reise nach Belgrad dann auch explizit die militärische Neutralität Serbiens, die man "hoch schätze". Und er kritisierte die US-Politik auf dem Balkan, die ein "Destabilisierungsfaktor" sei.

"Aus diesen Gründen hat Moskau auch seine Aktivitäten in Serbien verstärkt, sowohl politisch als auch kulturell oder im Medienbereich", sagt Dzihic. "Mit einem ganzen Set an Maßnahmen will Russland verhindern, dass Serbien Richtung Nato abdriftet", analysiert der Politikwissenschafter vom Österreichischen Institut für Internationale Politik (OIIP). Und Russland-Experte Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck ergänzt: "Würden eines Tages, was derzeit extrem unwahrscheinlich ist, Serbien und Bosnien zu Nato-Mitgliedern werden, wäre der gesamte Westbalkan unter Nato- und damit auch US-Kontrolle. Serbien ist für Russland, das am Balkan Interessen hat, also ein Schlüsselland."

Das ist es freilich auch für China und die EU. "Um die Zukunft Serbiens gibt es zwischen Moskau, Peking und Brüssel eine dreifache Rivalität", sagt Mangott im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Und Vucic versuche dabei, "sich in alle Richtungen zu drehen und zu strecken", analysiert Dzihic, um im Sinne eines Machtpragmatikers das Optimum für Serbien herauszuholen.

Peking als Alternative zur EU
Dabei hat sich vor allem China in letzter Zeit als Großinvestor in Serbien hervorgetan, etwa im Eisenbahnbereich beim Bau einer Bahnstrecke zwischen Belgrad und Budapest. "Vucic ist immer wieder in China und versucht, China in der Öffentlichkeit als wirtschaftliche Alternative zur EU zu präsentieren", sagt Dzihic.

Zu Beginn seiner Amtszeit hat der innenpolitisch durch Proteste derzeit unter Druck geratene Vucic auf die EU gesetzt. "Die Auflage der EU, dass Serbien den Kosovo anerkennen muss, ist aber eine von Brüssel selbst aufgestellte Barriere für eine weitere EU-Integration Serbiens", sagt Mangott. Mittlerweile pflegt Vucic gute Kontakte in alle Richtungen: zum Westen, nach Russland, nach China und sogar in die Türkei.