Trumps Gefährten auf dem Balkan stehen bereit

Vedran Džihić
Senior Researcher

Der Standard
Kommentar der anderen von Vedran Džihić
5. Dezember 2024

Europas Autokraten wollen ihre antidemokratische Allianz ausbauen und setzen dabei auf den neuen US-Präsidenten. Die EU verkommt derweil zum hilflosen Beobachter

Während weite Teile des liberalen demokratischen Europas nach dem Sieg von Donald Trump in Schockstarre waren und nach Erklärungen und wohl auch Trost suchten, waren die Autokraten im Osten und in Südosteuropa schnell enthusiasmiert. Milorad Dodik ließ das Präsidentschaftsgebäude in Banja Luka mit Trumps Porträt beleuchten, die anderen starken Männer in ganz Europa, allen voran Viktor Orbán oder seine Nachbarn aus der Slowakei und Serbien, Robert Fico und Aleksandar Vučić, beeilten sich, dem neuen US-Präsidenten zu gratulieren.

Auf dem Balkan erhoffen sich die klientelistischen Regime von Trump Unterstützung, allen voran für ihre Ideologie der "serbischen Welt", die de facto auf den alten Traum von "Großserbien" hinausläuft. Milorad Dodik in der Republika Srpska in Bosnien träumt schon länger von Sezession, in Serbien träumen viele von möglichen neuen Vereinbarungen in Bezug auf den Kosovo. Mit einem erratischen Präsidenten Trump, der nur auf Deals und Transaktionalismus setzt, ist auch auf dem Balkan alles denkbar. Auch das Öffnen der Büchse der Pandora ist im schlimmsten Szenario nicht auszuschließen.

Hilfloser Beobachter EU

Dass die EU bei diesen Szenarien mehr einem hilflosen Beobachter als einem starken und tonangebenden Akteur gleicht, ist bedenklich. Hat man Serbien nach den Wahlen im Dezember 2023 noch heftig wegen des offensichtlichen Wahlbetrugs kritisiert, ist das Land über den Sommer zum wichtigsten Partner der EU – und speziell Deutschlands – bei den Plänen für den Lithiumabbau geworden. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen besuchte unlängst Belgrad und lobte "ihren Freund" Vučić für Fortschritte im Rechtsstaatlichkeitsbereich. Das ist eine Farce, die sich rächt – bei der neuen Protestwelle geht das Regime immer brutaler gegen die Demonstrierenden vor. Vergisst Brüssel eigene Normen und Werte im Umgang mit Autokraten und begibt sich auf pragmatischen Streichelkurs mit ihnen, untergräbt es vollends die eigene Glaubwürdigkeit auf dem Balkan.

Abseits der Institutionen in Brüssel gibt es EU-Staaten, die sich offen auf die Seite von Vučić oder Dodik stellen. Orbán in Ungarn gilt seit Jahren als der große Freund und Patron von Serbien und der Republika Srpska. Fico schließt sich gern dieser neuen autoritär-nativistischen Allianz an. In Budapest und Bratislava denkt man weiter und hofft, dass sich auch weitere Länder bald anschließen könnten – Prag mit einem möglichen zukünftigen Premierminister Andrej Babiš oder Wien mit einem "Volkskanzler" Herbert Kickl wären wohl gern dabei. Hier öffnet sich die größere europäische und nun mit Trump auch globale Perspektive für ein schrittweises Erstarken der autoritären Allianz, die vor allem eines eint – tiefe Verachtung für die liberale Demokratie.

Orbáns Playbook

Diese tiefe Verachtung der liberalen Demokratien schlägt sich immer zuerst auf der nationalen Ebene nieder, wo die neuen Autoritären nahezu geschlossen von dem seit 2010 entwickelten Orbán’schen Playbook abschreiben: Abbau der Rechtsstaatlichkeit, Kontrolle der Medien, Kooption der wirtschaftlichen Eliten, und wenn sich Widerstand auf den Straßen regt, wie seit einigen Wochen in Serbien oder derzeit in Georgien, dann scheut man auch nicht vor Repression. Von begleitender ohrenbetäubender Rhetorik der Rechtsautoritären, in der es vor Selbstherrlichkeit und national-chauvinistischen Parolen, die das Volk in "gut" und "böse" unterteilt und die politischen Gegner zum Teufel schlechthin erklären, nur so wimmelt, brauchen wir gar nicht zu reden.

Der antidemokratische Tabubruch auf der nationalen Ebene vollzieht sich schnell und verschiebt die Grenze des Sagbaren, Denkbaren und Machbaren. Dieser Tabubruch findet schon längst seine internationale Fortsetzung. Der deutsche Soziologe Wilhelm Heitmeyer schreibt in seiner bahnbrechenden Untersuchung über die rechten Bedrohungsallianzen von "Entsicherung von Zuständen" und von einer neuen Unübersichtlichkeit und existenziellen Krisen, die im Inneren unserer Gesellschaften xenophobe Nationalisten, Autoritäre aller Couleur und Rechtsextreme auf den Plan rufen. Dies ist heute gut sichtbar nicht nur im europäischen Osten und Südosten, sondern schon längst auch im Westen – von Italien, den Niederlanden über Frankreich bis nach Österreich zuletzt mit dem Wahlsieg der Freiheitlichen. Die autoritär-nativistische Internationale pulsiert immer stärker, stellt auch die Historikerin Anne Applebaum fest.

Welche Antworten haben liberale und demokratische Kräfte darauf? Vielleicht haben wir vergessen, dass Demokratie nie fertig ist und immer im Werden ist, dass es keine Garantien für die Freiheit gibt und diese von einem Tag auf den nächsten weg sein kann? Spätestens die russische Aggression gegen die Ukraine hätte der Weckruf sein müssen.

Wir stehen also bereits mit einem Fuß inmitten einer neuen autoritären Ära, auf die liberale Demokratien Europas keinesfalls immun sind. Eines ist klar – es muss eine Menge getan werden, und dies sehr schnell, damit unsere liberale Demokratie und unsere Freiheit erhalten bleiben. Wir müssen in Europa aufwachen und um unsere Demokratie und Freiheit kämpfen: im Inneren unserer Gesellschaften und dann auch geschlossen nach außen – in der Ukraine, Georgien, Serbien oder in allen anderen europäischen Staaten außerhalb der EU. Darüber hinaus müssen wir die Konturen einer positiven Vision, ja, einer Utopie von Europa zeichnen, die die Zukunft mit Hoffnung verbindet und die Menschen wieder begeistern kann.