Warum es ohne unabhängige Expertise nicht geht

Warum es ohne unabhängige Expertise nicht geht

Saskia Stachowitsch
Affiliated Researcher

Der Standard
KOMMENTAR DER ANDEREN

Warum es ohne unabhängige Expertise nicht geht
von Saskia Stachowitsch und Cengiz Günay

Partnerinstitute sind für das Verteidigungsministerium unerlässlich. Bei der Affäre um Parteienfinanzierung sollte man Generalisierungen vermeiden

Das Bundesministerium für Landesverteidigung (BMLV) unterhält mehrere Kooperationen mit externen Partnerinstituten, die Leistungen im Bereich Forschung, Politikberatung, Vernetzung und Öffentlichkeitsarbeit erbringen. Eines dieser Institute, das Institut für Sicherheitspolitik (ISP), steht nun im Verdacht, eine Rolle in der illegalen Parteienfinanzierung der FPÖ gespielt zu haben. Diese Vorwürfe sind selbstverständlich restlos aufzuklären. Korruption, Klientelismus und verdeckte Parteienfinanzierung sind grundsätzlich zu verurteilen.

Allerdings sollte in der Debatte um die Kooperationen des BMLV nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet werden. Bedauerlicherweise wird nämlich im Kontext des konkreten Falles das generelle Ansinnen eines Ministeriums, sich externe und durchaus kritische Analyse- und Beratungskompetenz ins Haus zu holen, diskreditiert. Sämtliche Kooperationspartner des Ministeriums, die meisten sind als Vereine organisiert, stehen im Schatten des Ibiza-Skandals unter Generalverdacht, nur ein Instrument für Parteienfinanzierung und politische Interessen zu sein.

Dabei brauchen öffentliche Institutionen in einem sich stets wandelnden, komplexer werdenden internationalen Umfeld mehr denn je unabhängige Expertise, die sie selbst nur unter großem strukturellem und finanziellem Aufwand bereitstellen könnten. Expertise zu internationalen Entwicklungen, die Beobachtung und Analyse von sicherheitsrelevanten Dynamiken und die Einschätzung von deren Bedeutung für die Sicherheit Österreichs und Europas ist nicht nur für die Entwicklung von österreichischen Positionen, sondern auch für eine sachliche Grundlage für öffentliche Debatten zur Außen- und Sicherheitspolitik unverzichtbar.


Fortschrittlicher Weg

Aus diesem Grund ist es international üblich, dass öffentliche Institutionen und Entscheidungsträger die externe Expertise von Forschungsinstituten und Thinktanks konsultieren und in den Politikprozess einbinden. In den meisten europäischen Ländern erfolgt dies in weit höherem Ausmaß und zudem auf einer weitaus umfassenderen finanziellen Basis als in Österreich. Die Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, das Dänische Institut für Internationale Politik oder das Schwedische Institut für Internationale Politik sind nur einige prominente Beispiele.

Hierzulande hat die Öffnung von Ministerien für externes Wissen hingegen wenig Tradition und beschränkt sich in erster Linie auf Ad-hoc-Auftragsforschung, anstatt Impulse und Ansätze aus der Wissenschaft oder internationalen Debatten aufzunehmen. Das BMLV ist hier eine Ausnahme. Es hat sich bereits vor vielen Jahren für den fortschrittlichen Weg der evidenzbasierten und integrativen Politik entschieden. Das unredliche Agieren Einzelner sollte diese notwendige Öffnung nicht per se kriminalisieren.

Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen wie das oiip (Österreichisches Institut für Internationale Politik) können nämlich bei der Entwicklung von sicherheitspolitisch relevanten Strategien eine wichtige Rolle spielen, indem sie beispielsweise Risikoabschätzung neuer Bedrohungslagen oder die Beurteilung von Machtverschiebungen in Nachbarregionen durchführen. Die Inklusion externer unabhängiger Expertise ermöglicht ein umfassenderes Gesamtbild der Sicherheitslage. Diese Expertise zu sicherheitsrelevanten Entwicklungen scheint angesichts der umfassenden Pläne zur Umgestaltung der österreichischen Landesverteidigung wichtiger denn je.

Mehr Inklusion nötig

Selbstverständlich sollten Kooperationen leistungsbezogen sein und die Qualität gesichert werden. Das oiip gewährleistet etwa die Qualität seiner Arbeit im Bereich Europäische Nachbarschaftspolitik, Grenzsicherheit, Radikalisierung und Extremismus sowie zu Westbalkan, der Türkei und der MENA-Region durch ein Team an Wissenschaftern sowie durch die Wettbewerbsfähigkeit bei kompetitiv vergebenen Forschungsfördermitteln. Gemeinsam mit anderen Kooperationspartnern des BMLV wie dem Bruno-Kreisky-Forum, AIES oder ASPR Schlaining trägt das oiip zu einer offenen, inklusiven, informierten außen- und sicherheitspolitischen Debatte bei.

Österreich braucht in einer immer komplexeren Welt mehr externe Expertise, um nachhaltige Strategien zu entwickeln und Bewusstsein für die globalen Kontexte nationaler Politik zu schaffen. Infolge der Skandale um das ISP sollte daher die ohnehin schwache außeruniversitäre Forschungslandschaft in Österreich nicht weiter ausgedünnt werden. Anstatt die Zusammenarbeit mit externen Partnern infrage zu stellen, wäre es jetzt an der Zeit, über langfristige Strukturen für verlässliche Partnerschaften nachzudenken, die einer unabhängigen Qualitätssicherung und Evaluierung zugänglich sind. Um in europäischen Debatten mitreden zu können, bedarf es der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Institutionen, Universitäten, außeruniversitären Forschungseinrichtungen, Thinktanks und der Zivilgesellschaft. Österreich hat hier viel aufzuholen.